Posts Tagged ‘astra’

medienpolitik@IFA: Fernsehen jenseits von HDTV – wann kommt die UHD-Broadcast-Technologie?

11. September 2013

– Die Branche arbeitet mit Hochdruck an der erforderlichen Sende- und Empfangstechnik

– Schon die heute angebotenen UHD-Fernsehgeräte bestechen durch faszinierende Bildqualität

Die Endgerätehersteller bringen dieses Jahr eine neue Generation von Großbildschirmen auf den Markt, die vierfache HDTV-Auflösung ermöglicht (Ultra-HD oder kurz UHD). Doch die Medienindustrie produziert Bewegtbild-Inhalte auf diesem Qualitätsniveau bisher fast ausschließlich für das digitale Kino. Wann können die Besitzer von UHD-Fernsehgeräten TV-Sendungen und Filme in dieser Auflösung empfangen oder abspielen? Antworten auf diese Frage suchten die Teilnehmer des Panels „Fernsehen jenseits von HDTV“ im Rahmen der Veranstaltung medienpolitik@IFA.

 

Mit der auf der IFA präsentierten Schnittstelle HDMI 2.0, dem Codierungsverfahren HEVC und ersten Test-Übertragungen auf Astra-und Eutelsat-Satelliten stehen wichtige Bausteine für ein UHD-Ökosystem zur Rundfunkübertragung bereits zur Verfügung. Andere Schritte wie die Verfügbarkeit von Chips zur Decodierung und Encodierung der Ultra-HD-Bildsignale brauchen noch einige Zeit. Doch die Experten sehen die Entwicklung auf einem guten Weg: Schon ab 2014 seien erste fertige Empfangsgeräte und Medienangebote denkbar. Einig waren sich die Experten darüber, dass der erforderliche Prozess große wirtschaftliche und technische Herausforderungen an alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten stellt.

 

In vier Kurzvorträgen informierten Branchenexperten über den technischen Stand der Dinge:

Marcel Gonska, Gründer und Geschäftsführer des Medientechnik-Beratungsunternehmens White Light Consultations, stellte fest, dass es bei einer UHD-Produktions- und Sendekette um nichts weniger als die Einführung eines neuen TV-Systems gehe. So gehe es nicht allein um eine auf 3.840 mal 2.160 Pixel erhöhte Bildauflösung, sondern auch um eine Verbesserung der Bewegungsdarstellung, also um die sukzessive Erhöhung der Bildwechselfrequenz auf 60, 100 oder gar 120 Bilder pro Sekunde. Ultra-HD müsse auch die Farbinformationen (Fachbegriff: Farbraum) an die besseren Darstellungsmöglichkeiten der neuen Bildschirmgeneration anpassen und so auch auf diese Weise zur überlegenen Bildqualität beitragen.

 

Stephan Heimbecher, Head of Innovations and Standards bei Sky Deutschland, berichtete von den Erfahrungen seines Senders beim Betrieb des als „Proof of Concept“ über einen Astra-Satelliten ausgestrahlten UHD-Demokanals. Heimbecher beschrieb die kreativen Optionen, die UHD-Technologien erschießen. So kann der UHD-Bildschirm zum Beispiel mehrere Kameraperspektiven gleichzeitig in voller HD-Auflösung zeigen – etwa von Sportereignissen oder Konzerten. Auch die 3D-Darstellung kann von der UHD-Technik profitieren, zum Beispiel, wenn Polarisationsfilter und preisgünstige passive Brillen eingesetzt werden. Dann ist der 3D-Genuss mit voller HDTV-Auflösung möglich. Heimbecher erklärte zudem, dass die Codierung der Bildsignale nach dem für UHD geplanten Verfahren HEVC („High Efficiency Video Coding“, auch H.265 genannt) derzeit doch sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Bis Echtzeit-Encoder verfügbar seien, werde es noch ein bis zwei Jahre dauern.

 

Dr. Ralf Schäfer, Leiter des Bereichs Signalverarbeitung am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, stellte die HEVC-Technik im Detail vor. Das neue Verfahren könne die Datenraten von Videosignalen bei gleicher Qualität um bis zu 50 Prozent stärker reduzieren als das Vorgänger-Verfahren H.264 – oder seine höhere Effizienz für entsprechend höhere Videoqualität nutzen. Es sei nicht nur ein unverzichtbares Element von UHD, sondern auch ein Verfahren, von dem alle Arten der Bewegtbild-Übertragung und -Speicherung profitierten. HEVC biete auch eine gute Grundlage für 3D-Verfahren ohne Brille („Auto-Stereoskopie“). Die HEVC-Encodierung erfordere bisher allerdings noch viel Rechenzeit. So liege die Signalumwandlung selbst mit leistungsstarker Computertechnik noch um den Faktor 1.000 über einer Echtzeit-Encodierung.

 

Sascha Lange, Marketing- und Vertriebsleiter TV Deutschland und Österreich bei Toshiba, ergänzte den Überblick mit Einschätzungen aus Vermarktungs-Sicht. Er stellte fest: UHD ist das Top-Thema der IFA 2013. Lange kündigte an, dass 55-Zoll-Geräte mit UHD-Auflösung nach der IFA 2013 bereits für unter 3.000 Euro angeboten werden. Voraussichtlich für das Jahr 2015 rechnet er mit einem Absatz von zwei Millionen UHD-Fernsehgeräten. Zudem sei UHD eine wichtige Basis dafür, auch in kleineren Räumen größere Bildschirmdiagonalen zu nutzen – was dem Trend im Fernsehgerätemarkt entgegenkäme.

 

Die Experten sind zuversichtlich, dass erste UHD-Empfangsgeräte ab 2014 verfügbar sein könnten

In der anschließenden Podiumsdiskussion stellte Steve Venuti, President der HDMI Licensing LLC., die auf der IFA vorgestellte Spezifikation 2.0 der HDMI-Schnittstelle vor. HDMI 2.0-Anschlüsse sind für die Übertragung von UHD-Signalen ausgelegt und transportieren dazu über entsprechende Verbindungskabel bis zu 18 Gigabit je Sekunde.

 

Thomas Wrede, Vice President Product Management Media bei SES ASTRA, berichtete, dass Astra bereits zwei UHD-Demokanäle eingerichtet hat – je einen für HEVC-Videosignale und einen für die Übertragung von Bewegtbildern, die nach dem etablierten Verfahren H.264 codiert wurden. Die erforderlichen Chips für den Bau von Empfangsgeräten könnten nach seiner Einschätzung schon im kommenden Jahr zur Verfügung stehen.

 

Dem stimmten auch die anderen Vertreter auf dem Panel zu: Bis Ende 2014 werde sich die Verfügbarkeit und Qualität von Bauteilen sowohl zur Encodierung als auch Decodierung von UHD deutlich verbessern. Schon heutige Modelle, so betonte Toshiba-Experte Sascha Lange, böten durch leistungsstarkes Upscaling (Hochrechnen der Bildauflösung) jedoch deutlich bessere Bildqualität als reine HDTV-Geräte.

 

Die Hollywood-Studios, die als wichtige künftige Lieferanten für Filme in UHD-Qualität gelten, betrachteten die neue Technik mittlerweile als vielversprechendes Geschäftsfeld. Unklar seien allerdings noch die Verbreitungswege – also etwa die Frage, ob Filme in dieser Auflösung auf einem physischen Medium oder eher per Internet-Streaming verbreitet würden.

 

In einem waren sich die Experten einig: Auch wenn manche Rahmenbedingungen erst noch definiert werden müssen, gehört der UHD-Technik die Zukunft.

 

Über medienpolitik@IFA

Mit ihren Diskussionsforen medienpolitik@IFA greift die gfu, Veranstalter der IFA, aktuelle medien- und netzpolitische Fragen auf, die in engem Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen der CE-Branche stehen.

 

medienpolitik@IFA ist Bestandteil des Internationalen Medienkongresses der medienwoche@IFA, die in jedem Jahr die wichtigsten Akteure der konvergenten Medienwelt in Berlin versammelt und diese mit der IFA und zahlreichen hochkarätigen Events zu einem der wichtigsten Branchentreffen Europas verbindet.